Tanya:
Manche sagen zu mir, es sei ja nur meine Haut, das sei doch nicht so
schlimm. Ich
hätte
ja
noch beide Arme und Beine und könne gehen. Ich wäre ja nicht ans Bett
gefesselt,
es
sei doch keine lebensbedrohliche Krankheit und ich würde nicht daran sterben.
Aber
offen
gesagt, es ist schon extrem belastend – der Schlafmangel, das
Gefühlschaos
und
das,
was ich „psychologische Kriegsführung” nenne, das alles zeigt
irgendwann
seine
Wirkung.
Für mich ist das Schlimmste, dass ich nicht richtig schlafen kann.
Ich kann mich
nicht
erinnern, irgendwann einmal eine ganze Nacht durchgeschlafen zu haben. Seit ich ein
Baby
war.
Dieser Juckreiz reißt mich hin und her, stresst mich. Der Verstand sagt, ich
soll
aufhören, aber der Körper verlangt einfach, dass ich kratze. Und dabei
weiß
ich
doch, dass ich damit die Haut noch mehr und stärker verletze und das führt
erneut
zu
Stress – ein echter Teufelskreis! Häufig kratze ich so lange, bis ich
offene
Stellen
oder richtige Wunden auf der Haut habe. Dann ist es einfach unerträglich und
ich
melde
mich
krank. Meinen Alltag kriege ich dann nicht mehr geregelt.
Die Neurodermitis ist immer dann ein Problem, wenn ich neue Leute
kennenlerne und bei
gesellschaftlichen Ereignissen. Besonders schwer ist es aber, wenn ich ein Date habe
und
in
intimen Situationen. Als ich zum Beispiel meinen Mann kennengelernt habe, kannte der
noch
niemanden mit Neurodermitis. Er wusste kaum, was das ist. Und er hat total
unterschätzt,
was die Krankheit für mich und auch für unsere gemeinsame Zukunft bedeuten
könnte. Er möchte helfen, weiß aber nicht wie. Und leider stört
meine
Krankheit wohl auch seinen Schlaf. Wir können dann beide nicht schlafen. Auch
unser
Intimleben ist durch die Krankheit manchmal nicht so wie es sein soll. Jetzt nach
fünf
Jahren sind wir an einem guten Punkt angelangt. Aber zu Beginn unserer Ehe, als wir
zusammengezogen sind, hat er nicht verstanden, warum ich manchmal nicht umarmt
werden
wollte.
Manchmal konnte ich einfach keine Berührung ertragen. Manchmal wollte ich nicht
einmal,
dass wir auf der Straße Hand in Hand gehen. Ich denke, jetzt versteht er, dass
es
nichts
mit ihm oder unserer Beziehung zu tun hat, sondern nur damit, wie ich mich
fühle.
Um
dahin
zu kommen, mussten wir manche Kämpfe austragen und manche Hürden
überwinden.
Manchmal schaue ich in den Spiegel und sehe jemanden, der einfach
hässlich ist.
Es
ist
echt
traurig, aber leider wahr, dass man ... man verliert einfach komplett sein
Selbstwertgefühl. Man schaut in den Spiegel und sieht etwas, das einem
widerlich
und
ekelhaft erscheint.
Es gab eine Zeit, da war ich sehr depressiv. Und es gibt immer noch Tage,
an denen
ich
nicht
aufstehen möchte, weil ich einfach niemandem begegnen will. Es ist nicht
schön,
wenn
man das Gefühl hat, alles, was man zu bieten hat sind offene Wunden und Flecken
im
Gesicht,
und jeder sieht sie.
Außerdem habe ich ständig Angst, dass mein Kind Neurodermitis
haben
könnte.
Wenn
ich dran denke, dass mein Baby, ob Junge oder Mädchen, das von Kindheit an bis
ins
Erwachsenenalter haben würde, ich glaube, das könnte ich nicht ertragen.
Und
ich
weiß auch nicht, ob ich es schaffen würde, mich um meine eigene Krankheit
und
dann
auch noch um dieses Kind zu kümmern.