Da ist es wieder, das Kribbeln auf der Haut. Erst ganz leicht und dann wird es immer stärker. In Gedanken sage ich mir: Es ist doch gar nicht so schlimm, ich muss nicht kratzen!“ Und doch wird es so schlimm, dass ich den Pullover hochziehe und kratze. Jetzt ist der Juckreiz vorbei. Zum Glück hat niemand gesehen, wie ich mir die Ellenbogen blutig gekratzt habe. Das schlechte Gewissen nagt an mir. Ich war wieder zu schwach , um gegen den Juckreiz anzukämpfen. Früher habe ich gekratzt bis es blutete. Ich habe nicht mal versucht es zu stoppen . Warum auch? Nachdem die Haut kaputt war, verzog sich auch das nervige Jucken. Schmerzen habe ich dabei auch nicht verspürt . Heute weiß ich, dass ich ganz viel Glück hatte, keine Infektion zu bekommen. Außerdem war das Kratzen meistens reflexartig. In diesen Momenten habe ich selbst nicht mitbekommen, wie ich meine Haut misshandelte. Deshalb war ich teilweise überrascht, als mich Leute baten mit dem Kratzen aufzuhören.
Es gibt aber auch eine lustige Anekdote zu dem Thema. Mit etwa 19 Jahren war meine Neurodermitis nicht besonders stark ausgeprägt. Die Stellen befanden sich überwiegend an Hals und Armbeugen. An einem Freitagabend stand ich mit meinen Freund*innen in der Schlange zur Disco. Nun war ich an der Reihe, der Türsteher wollte meinen Ausweis sehen. Ich gab ihm den Ausweis und er fragte mich mit ernster Stimme: „Hat dich da ein Vampir gekratzt?“ Ich wusste gar nicht, wovon er spricht, bis er grinsend auf meinen Hals deutete. Es wurde noch ein sehr lustiger Abend, doch das Gespräch werde ich nie vergessen. Er meinte es damals nur lustig, und in dem Moment fand ich es auch lustig. Trotzdem wollte ich nach diesem Abend nie wieder blutige Haut haben. Geschafft habe ich das nicht, aber gebe mir immer wieder Mühe.
Die letzten Jahre habe ich viel über das Kratzen gelernt. Warum kratze ich? Warum mal mehr und mal weniger? Und das Wichtigste: Was hilft gegen den Juckreiz? Das Erste, was ich bewusst wahrnahm ist, dass es wirklich ein Kreislauf ist. Ich kratzte, es blutet, es heilt, es juckt und ich kratzte wieder. Als ich das erkannte, wollte ich diesen Kreislauf stoppen. Ich sagte mir: „Es juckt doch gar nicht, ich werde es schaffen, nicht zu kratzen.“ Bis heute funktioniert das mal mehr und mal weniger gut. Aber ich versuche jedes Mal erneut nicht zu kratzen. Und wenn ich dann doch wieder gekratzt habe, versuche ich nicht so hart zu mir selbst zu sein. Ich denke, viele Außenstehende sehen nur wie ich mich kratze. Was sie nicht sehen können, ist aber, wie oft ich nicht gekratzt habe. Was es für ein harter, innerlicher Kampf ist, den man ständig gegen seinen eigenen Körper führt. Ich habe festgestellt, dass der Juckreiz bei mir am stärksten ist, je mehr Zucker ich gegessen habe. Besonders vor dem Schlafengehen löst dies einen Juckreiz aus, der mich deutlich schlechter schlafen lässt. Deswegen habe ich meinen Zuckerkonsum reduziert. Auch Hitze fördert meinen Juckreiz. Besonders im Sommer ist es für mich wichtig, an einem kühlen Platz zu schlafen.