Laura gezeichnet vor dem Spiegel mit Kratzwunden
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Neurodermitis im Alltag
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Das ist aber nicht das, was ich sehe: Ich sehe die ver quollenen Augen. Die roten trockenen Stellen auf der Stirn. Bei meinem Hals ist alles rot und der Nacken ist so trocken, dass ich den Kopf nicht richtig bewegen kann. Ich strecke meine Arme und frage mich, ob die Stelle gestern nicht kleiner war. Und was ist das? Die trockene Stelle am Handgelenk war noch nie da. Wenn mein Blick sich nach unten richtet fällt mir auf, dass ich in der Nacht die Kniekehle wieder kaputt gekratzt habe, die eigentlich schon abgeheilt war.

Dieses Bild jeden Tag von sich im Kopf zu haben und immer wieder die Stellen anzusehen, fällt mir nicht leicht. Meine atopische Dermatitis (Neurodermitis) war nicht immer so schlimm. Früher in meiner Jugend hatte ich sie nur in den Armbeugen und am Hals. In dieser Zeit hat sie mein Leben nicht beeinflusst. Ich hatte Spaß mit meinen Freunden, konnte ohne Probleme Sport treiben und zur Schule gehen. In dieser Phase war es leicht mit der Erkrankung zu leben, denn sie hat meinen Alltag einfach nicht gestört.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten: meine Neurodermitis

In meiner Abiturzeit war die Haut für zwei bis drei Jahre abgeheilt und einfach nur perfekt. Ich konnte feiern und Alkohol trinken, ungesund essen und kam mit wenig Schlaf aus. Ich war zwar müde, aber der Haut war das egal. Ich war in dem Glauben, dass sich die Krankheit rausgewachsen hatte. Doch nach dem Abi fing es langsam wieder an. Als erstes die Stellen in den Ellenbeugen. Dann kam die chronische Urtikaria (Nesse lsucht) dazu. Ich konnte keinen Sport mehr treiben und schon die Treppe in den zweiten Stock sorgte dafür, dass meine Haut Quaddeln bildete. Bis dahin konnte ich das Ganze noch akzeptieren, denn in meiner Ausbildung hatte ich sowieso keine Zeit für Sport u nd Fahrstühle waren auch bequemer. Doch leider wurde die Neurodermitis immer schlimmer.

Die Akzeptanz der Neurodermitis

Der Unterschied zwischen damals und jetzt ist, dass ich die Neurodermitis früher akzeptieren konnte. Sie gehört seit klein auf zu meinem Leben, mal mehr, mal weniger. Aber sie hat mich nicht gestört. Es war leicht mit ihr zu leben. Heute ist sie so stark ausgeprägt und so präsent, wie nie zuvor. Ekzeme sind an mehr Stellen zu finden. Die typische Stelle, wie Ellenbeuge, ist immer noch da, aber sie zieht sich den Unterarm entlang bis zum Handrücken. Die Stelle am Kehlkopf erstreckt sich jetzt über den gesamten Hals. Sie zieht sich nach oben und unten, sodass der Rücken, die Schultern, aber auch das Gesicht betroffen sind. Besonders das Gesicht macht mir zu schaffen, da es zum einen jeder sieht und zum anderen die Haut nochmal empfindlicher ist. Manche Stellen sind mal da und dann wieder nicht, wie zum Bespiel an den Wangen oder im Bauchbereich. Der Juckreiz hat sich auch geändert, was zur Folge hat, dass ich nicht immer gut schlafen kann. Früher hat der erholsame Schlaf mir geholfen, nun lege ich mich mit der Sorge ins Bett wieder meine Haut kaputt zu kratzen.

Selbstzweifel, Frustration und die Suche nach der richtigen Behandlung

Auch für meine Mitmenschen war es nicht leicht zu ertragen, wie ich mich selbst verletzt habe. Das hat meinen Alltag so beeinflusst, dass ich mich nicht mehr frei gefühlt habe. Diese Situation konnte und wollte ich nicht akzeptieren. Darum schwirrten ständig die Fragen in meinem Kopf:

  • Warum ausgerechnet ich?
  • Was habe ich falsch gemacht, dass sie jetzt wieder da ist?
  • Wie werde ich sie wieder los?
  • Und warum hilft dieses und jenes Wundermittel bei mir nicht?

Ich konnte kaum den Gedanken verdrängen, dass ich diese Erkrankung einfach nicht haben wollte. Daraus folgten verschiedenste Behandlungsmethoden, sowohl medizinische als auch alternativmedizinische Ansätze. Mit jeder Methode, die nicht den gewünschten Erfolg brachte, wurde meine Frustration über die Erkrankung größer . Alles drehte sich nur noch darum, diese verfluchte Krankheit loszuwerden. Sie bestimmte mein Leben und meine Gedanken. Bis heute habe ich die Erkrankung nicht ganz akzeptiert. Ich meine, wer will schon chronisch krank sein.

Aber ich habe verschiedene Punkte gefunden, die mir helfen diese Akzeptanz zu erreichen. Denn mit jedem Schritt dorthin, fühle ich eine deutliche Verbesserung meiner Lebensqualität.

Meine persönlichen Tipps/Was mir hilft:

Warum Hautpflege wichtig ist


Am meisten hat mich immer gestört, dass ich mich jederzeit um meine Haut kümmern muss. Sowohl der zeitliche Aufwand als auch das viele Geld für Pflegeprodukte auszugeben, hat mich genervt. Ich war ständig sauer und fand es einfach doof mich jeden Abend einzucremen. Denn es vergeht viel Zeit, bis man alles eingecremt hat und es dann trocken genug ist, um einen Schlafanzug anziehen zu können. Heute sehe ich es allerdings als eine Art Mini Wellness Programm. Ich nehme mir die Zeit, mache alles in Ruhe und höre mir Musik an oder schaue nebenbei Videos. Es ist für mich nicht mehr stressig und ich kann dadurch entspannt ins Bett gehen. Aber natürlich kommt es auch im mer noch vor, dass es bei Freunden spät werden kann und man nur noch ins Bett möchte. Dann nervt es mich doch. Aber im Endeffekt ist das halt so und auch diese Tage werden weniger.

Das Gerede der anderen


Ein weiterer Schritt, der es mir leichter macht, mit der Erkrankung umzugehen ist, dass es mir egal geworden ist, was fremde Menschen von mir denken. Ich bin generell ein sehr offener Mensch und habe deswegen auch keine Scheu ihnen meine Krankheit offen zu erklären. Denn ich glaube dann können sie einen auch besser verstehen und leichter damit umgehen.

Ich habe zum Beispiel im Winter bei minus drei Grad ein T-Shirt getragen, weil meine Arme komplett offen, trocken und blutig waren. Die Blicke der Leute waren unbezahlbar. Das habe ich später sogar lustig gefunden, wenn auch die Situation an sich für mich nicht toll war. Denn ich hätte mich auch gerne in eine Winterjacke mit dickem Schal und Mütze gekuschelt.

Neue Terminplanung


Während es sonst so war, dass die Neurodermitis mein Leben bestimmt hat und gesagt hat, wo es langgeht, plane ich mein Leben heute mit der Neurodermitis zusammen. Ich weiß, dass ich, wenn der Schub stärker ist, mehr Ruhe als sonst brauche. Das heißt, dass ich an Tagen, an denen es mir besser geht, auch mehr unternehmen kann.

Wenn die Neurodermitis mir allerdings zu viel Kraft raubt, muss ich meine Aktivitäten herunterfahren und die Erholung hat dann Priorität. Deshalb musste ich auch lernen nein zu sagen. Während ich sonst alle Tage einer Woche verplant habe, mache ich vieles jetzt lieber spontan. So kann ich dann viel besser auf meinen Körper eingehen und vermeide unangenehme Überlastungen. Hatte ich beispielsweise eine anstrengende Arbeitswoche , plane ich für das Wochenende weniger. War die Woche entspannt, steht einem erei gnisreichen Wochenende auch nichts im Weg. Also gehört auch dazu, dass ich meinen Freund *innen häufiger absagen muss. Aber genau dies gilt es mit der Krankheit zu akzeptieren.

Positiv denken und bleiben


Am Anfang konnten nicht alle verstehen, wieso ich wegen meines „Juckreizes“ Treffen absagen musste. Aber mittlerweile funktioniert dies wunderbar und ich weiß jetzt auch genau, wer meine wahren Freund*innen sind. Und das bringt mich zu einem weiteren wichtigen Schritt: Das Positive an der Erkrankung sehen. Jetzt kann man sich zu Recht fragen, was daran positiv sein soll, dass man immer wieder eine kaputte Haut hat. Die Antwort ist recht simpel Es zeigt einem deutlich, was wirklich wichtig im Leben ist Freund*innen und Familie, die für einen da sind, auch wenn der Tag mal wieder sehr bescheiden ist. Menschen zu haben, die verstehen, dass es nicht nur K ratzen ist. Und vor allem habe ich gelernt die schubfreien Tage, ega l ob durch den Körper allein oder durch Medikamente, viel mehr zu genießen und wertzuschätzen. So freue ich mich teilweise, einfach mal allein den Abwasch machen zu können, da dies sonst mit meiner kaputten Haut nicht mehr möglich war.

Diese positive Einstellung macht schließlich mein Leben viel lebenswerter. Wie heißt es doch so schön, was einen nicht umbringt, macht einen nur stärker. Genau das kann ich jetzt auch über die Neurodermitis sagen.

Aussehen und Akzeptanz bei Neurodermitis


Für mich war der schwerste Schritt mein Aussehen zu akzeptieren. Ich habe schon vor der schlimmen Neurodermitis Z eit nicht viel Make up benutzt. Mir war es wichtiger, möglichst lange schlafen zu können, anstatt mich morgens zu schminken, aber für Feiern und besondere Anlässe hat es mir sehr viel Spaß gemacht mich herauszuputzen. Man kann einfach super die Pickel und die Augenringe verschwinden lassen.
Die roten und trockenen Ekzemstellen lassen sich jedoch nicht so leicht überschminken. Denn Make up reizt die Stellen umso mehr, sodass ich mir das Schminken in dieser Phase nicht erlauben kann. So sind die roten auffälligen Stellen meine ständigen Begleiter. Wie akzeptiert man das und wie findet man sich selbst wieder schön?

Bei mir ist es durch die Akzeptanz der anderen Punkte mit dazugekommen. Vor allem habe ich verstanden, dass man sich selbst viel kritischer sieht als andere Menschen das tun würden. Mit dieser Erkenntnis konnte ich auch wieder leichter in den Spiegel schau en. Schließlich fällt auch nur den wenigsten die neue Frisur so wirklich auf. Einmal habe ich auch meinen besten Freund gefragt, wie schlimm er meine gefleckte Haut findet. Er meinte nur, dass ihm das gar nicht so sehr auffällt. Doch man muss dazu sagen, d ass er eine Rot Grün Schwäche hat. So nimmt er nur Schatten auf meiner Haut wahr, die für ihn nichts Besonderes sind. Aber auch genug andere Bekannte und Verwandte haben mir bestätigt, dass die kaputte Haut nie ein Grund sein könnte, mich als Mensch nicht gerne in ihrer Nähe zu haben. Gerade dieses Wissen gibt mir die Kraft mich selbst auch zu akzeptieren.

Diese Schritte waren wirklich wichtig für mein Leben. Zu 100 Prozent kann ich die Neurodermitis leider noch immer nicht akzeptieren. Aber ich bin auf einem guten Weg dahin. Es gibt auch bei mir immer noch die Tage, die mich verzweifeln lassen. Doch ich komme viel schneller wieder auf die Beine, denn ich bin mir immer bewuss t, dass die guten Tage kommen werden.

Positiv denken und bleiben
Diese positive Einstellung macht schließlich mein Leben viel lebenswerter. Wie heißt es doch so schön, was einen nicht umbringt, macht einen nur stärker. Genau das kann ich jetzt auch über die Neurodermitis sagen.
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