Den Blick in den Spiegel am Morgen kennt wohl jeder: Augenränder, der Pickel, der über Nacht gekommen ist, und das Make-up, welches am Vorabend nicht richtig abgegangen ist. Mit dem Älterwerden kommen Falten um die Augen und immer mehr Haare, die grauer werden.
Das ist aber nicht das, was ich sehe: Ich sehe die verquollenen Augen. Die roten trockenen Stellen auf der Stirn. Bei meinem Hals ist alles rot und der Nacken ist so trocken, dass ich den Kopf nicht richtig bewegen kann. Ich strecke meine Arme und frage mich, ob die Stelle gestern nicht kleiner war. Und was ist das? Die trockene Stelle am Handgelenk war noch nie da. Wenn mein Blick sich nach unten richtet, fällt mir auf, dass ich in der Nacht die Kniekehle wieder kaputt gekratzt habe, die eigentlich schon abgeheilt war.
Dieses Bild jeden Tag von sich im Kopf zu haben und immer wieder die Stellen anzusehen, fällt mir nicht leicht. Meine atopische Dermatitis (Neurodermitis) war nicht immer so schlimm. Früher in meiner Jugend hatte ich sie nur in den Armbeugen und am Hals. In dieser Zeit hat sie mein Leben nicht beeinflusst. Ich hatte Spaß mit meinen Freunden, konnte ohne Probleme Sport treiben und zur Schule gehen. In dieser Phase war es leicht mit der Erkrankung zu leben, denn sie hat meinen Alltag einfach nicht gestört.
In meiner Abiturzeit war die Haut für zwei bis drei Jahre abgeheilt
und einfach nur perfekt. Ich konnte feiern
und Alkohol trinken, ungesund essen und kam mit wenig Schlaf aus.
Ich war zwar müde, aber der Haut war das egal.
Ich war in dem Glauben, dass sich die Krankheit rausgewachsen hatte.
Doch nach dem Abi fing es langsam wieder
an. Als erstes die Stellen in den Ellenbeugen. Dann kam die
chronische Urtikaria (Nesselsucht) dazu. Ich konnte
keinen Sport mehr treiben und schon die Treppe in den zweiten Stock
sorgte dafür, dass meine Haut Quaddeln
bildete. Bis dahin konnte ich das Ganze noch akzeptieren, denn in
meiner Ausbildung hatte ich sowieso keine Zeit
für Sport und Fahrstühle waren auch bequemer. Doch leider wurde die
Neurodermitis immer schlimmer.
Der
Unterschied zwischen damals und jetzt ist, dass ich die
Neurodermitis früher akzeptieren konnte. Sie gehört seit
klein auf zu meinem Leben, mal mehr, mal weniger. Aber sie hat mich
nicht gestört. Es war leicht mit ihr zu
leben. Heute ist sie so stark ausgeprägt und so präsent, wie nie
zuvor. Ekzeme sind an mehr Stellen zu finden.
Die typische Stelle, wie Ellenbeuge, ist immer noch da, aber sie
zieht sich den Unterarm entlang bis zum
Handrücken. Die Stelle am Kehlkopf erstreckt sich jetzt über den
gesamten Hals. Sie zieht sich nach oben und
unten, sodass der Rücken, die Schultern, aber auch das Gesicht
betroffen sind. Besonders das Gesicht macht mir
zu schaffen, da es zum einen jeder sieht und zum anderen die Haut
nochmal empfindlicher ist. Manche Stellen sind
mal da und dann wieder nicht, wie zum Bespiel an den Wangen oder im
Bauchbereich. Der Juckreiz hat sich auch
geändert, was zur Folge hat, dass ich nicht immer gut schlafen kann.
Früher hat der erholsame Schlaf mir
geholfen, nun lege ich mich mit der Sorge ins Bett wieder meine Haut
kaputt zu kratzen.
Auch für meine Mitmenschen war es nicht leicht zu ertragen, wie ich mich selbst verletzt habe. Das hat meinen Alltag so beeinflusst, dass ich mich nicht mehr frei gefühlt habe. Diese Situation konnte und wollte ich nicht akzeptieren. Darum schwirrten ständig die Fragen in meinem Kopf:
Ich konnte kaum den Gedanken verdrängen, dass ich diese Erkrankung einfach nicht haben wollte. Daraus folgten verschiedenste Behandlungsmethoden, sowohl allgemeinmedizinische als auch naturheilmedizinische Ansätze. Mit jeder Methode, die nicht den gewünschten Erfolg brachte, wurde meine Frustration über die Erkrankung größer. Alles drehte sich nur noch darum, diese verfluchte Krankheit loszuwerden. Sie bestimmte mein Leben und meine Gedanken. Bis heute habe ich die Erkrankung nicht ganz akzeptiert. Ich meine, wer will schon chronisch krank sein.
Aber ich habe verschiedene Punkte gefunden, die mir helfen diese Akzeptanz zu erreichen. Denn mit jedem Schritt dorthin, fühle ich eine deutliche Verbesserung meiner Lebensqualität.
Pflege
Am meisten hat mich immer gestört, dass ich mich jederzeit um meine
Haut kümmern muss. Sowohl der zeitliche
Aufwand als auch das viele Geld für Pflegeprodukte auszugeben, hat
mich genervt. Ich war ständig sauer und fand
es einfach doof mich jeden Abend einzucremen. Denn es vergeht viel
Zeit bis man alles eingecremt hat und es dann
trocken genug ist, um einen Schlafanzug anziehen zu können. Heute
sehe ich es allerdings als eine Art
Mini-Wellness-Programm. Ich nehme mir die Zeit, mache alles in Ruhe
und höre mir Musik an oder schaue nebenbei
Videos. Es ist für mich nicht mehr stressig und ich kann dadurch
entspannt ins Bett gehen. Aber natürlich kommt
es auch immer noch vor, dass es bei Freunden spät werden kann und
man nur noch ins Bett möchte. Dann nervt es
mich doch. Aber im Endeffekt ist das halt so und auch diese Tage
werden weniger.
Gerede der anderen
Ein weiterer Schritt, der es mir leichter macht, mit der Erkrankung
umzugehen ist, dass es mir egal geworden
ist, was fremde Menschen von mir denken. Ich bin generell ein sehr
offener Mensch und habe deswegen auch keine
Scheu ihnen meine Krankheit offen zu erklären. Denn ich glaube, dann
können sie einen auch besser verstehen und
leichter damit umgehen.
Ich habe zum Beispiel im Winter bei minus drei Grad ein T-Shirt
getragen, weil meine Arme komplett offen,
trocken und blutig waren. Die Blicke der Leute waren unbezahlbar.
Das habe ich später sogar lustig gefunden,
wenn auch die Situation an sich für mich nicht toll war. Denn ich
hätte mich auch gerne in eine Winterjacke mit
dickem Schal und Mütze gekuschelt.
Neue Terminplanung
Während es sonst so war, dass die Neurodermitis mein Leben bestimmt
hat und gesagt hat, wo es langgeht, plane
ich mein Leben heute mit der Neurodermitis zusammen. Ich weiß, dass
ich, wenn der Schub stärker ist, mehr Ruhe
als sonst brauche. Das heißt, dass ich an Tagen, an denen es mir
besser geht, auch mehr unternehmen kann.
Wenn die Neurodermitis mir allerdings zu viel Kraft raubt, muss ich meine Aktivitäten herunterfahren und die Erholung hat dann Priorität. Deshalb musste ich auch lernen nein zu sagen. Während ich sonst alle Tage einer Woche verplant habe, mache ich vieles jetzt lieber spontan. So kann ich dann viel besser auf meinen Körper eingehen und vermeide unangenehme Überlastungen. Hatte ich beispielsweise eine anstrengende Arbeitswoche, plane ich für das Wochenende weniger. War die Woche entspannt, steht einem ereignisreichen Wochenende auch nichts im Weg. Also gehört auch dazu, dass ich meinen Freunden häufiger absagen muss. Aber genau dies gilt es mit der Krankheit zu akzeptieren.
Positiv denken und bleiben
Am Anfang konnten nicht alle verstehen, wieso ich wegen meines
„Juckreizes“ Treffen absagen musste. Aber
mittlerweile funktioniert dies wunderbar und ich weiß jetzt auch
genau, wer meine wahren Freunde sind. Und das
bringt mich zu einem weiteren wichtigen Schritt: Das Positive an der
Erkrankung sehen. Jetzt kann man sich zu
Recht fragen, was daran positiv sein soll, dass man immer wieder
eine kaputte Haut hat. Die Antwort ist recht
simpel. Es zeigt einem deutlich, was wirklich wichtig im Leben ist:
Freunde und Familie, die für einen da sind,
auch wenn der Tag mal wieder sehr bescheiden ist. Menschen zu haben,
die verstehen, dass es nicht nur Kratzen
ist. Und vor allem habe ich gelernt die schubfreien Tage, egal ob
durch den Körper allein oder durch
Medikamente, viel mehr zu genießen und wertzuschätzen. So freue ich
mich teilweise, einfach mal allein den
Abwasch machen zu können, da dies sonst mit meiner kaputten Haut
nicht mehr möglich war.
Diese positive Einstellung macht schließlich mein Leben viel
lebenswerter. Wie heißt es doch so schön, was einen
nicht umbringt, macht einen nur stärker. Genau das kann ich jetzt
auch über die Neurodermitis sagen.
Aussehen
Für mich war der schwerste Schritt mein Aussehen zu akzeptieren. Ich
habe schon vor der schlimmen
Neurodermitis-Zeit nicht viel Make-up benutzt. Mir war es wichtiger,
möglichst lange schlafen zu können, anstatt
mich morgens zu schminken, aber für Feiern und besondere Anlässe hat
es mir sehr viel Spaß gemacht mich
herauszuputzen. Man kann einfach super die Pickel und die Augenringe
verschwinden lassen.
Die roten und trockenen Ekzemstellen lassen sich jedoch nicht so
leicht überschminken. Denn Make-up reizt die
Stellen umso mehr, sodass ich mir das Schminken in dieser Phase
nicht erlauben kann. So sind die roten
auffälligen Stellen meine ständigen Begleiter. Wie akzeptiert man
das und wie findet man sich selbst wieder
schön?
Bei mir ist es durch die Akzeptanz der anderen Punkte mit dazugekommen. Vor allem habe ich verstanden, dass man sich selbst viel kritischer sieht als andere Menschen das tun würden. Mit dieser Erkenntnis konnte ich auch wieder leichter in den Spiegel schauen. Schließlich fällt auch nur den wenigsten die neue Frisur so wirklich auf. Einmal habe ich auch meinen besten Freund gefragt, wie schlimm er meine gefleckte Haut findet. Er meinte nur, dass ihm das gar nicht so sehr auffällt. Doch man muss dazu sagen, dass er eine Rot-Grün-Schwäche hat. So nimmt er nur Schatten auf meiner Haut wahr, die für ihn nichts Besonderes sind. Aber auch genug andere Bekannte und Verwandte haben mir bestätigt, dass die kaputte Haut nie ein Grund sein könnte, mich als Mensch nicht gerne in ihrer Nähe zu haben. Gerade dieses Wissen gibt mir die Kraft mich selbst auch zu akzeptieren.
Diese Schritte waren wirklich wichtig für mein Leben. Zu 100 Prozent kann ich die Neurodermitis leider noch immer nicht akzeptieren. Aber ich bin auf einem guten Weg dahin. Es gibt auch bei mir immer noch die Tage, die mich verzweifeln lassen. Doch ich komme viel schneller wieder auf die Beine, denn ich bin mir immer bewusst, dass die guten Tage kommen werden.
Neurodermitis kann für Betroffene und Angehörige eine große Herausforderung sein. Zögere daher nicht, Deine/n Dermatolog/-in oder das Behandlungsteam anzusprechen.
Hast Du akut Fragen zu Therapieoptionen oder benötigst Tipps für den Alltag mit Neurodermitis, stehen Dir unsere medizinisch ausgebildeten Ansprechpartnerinnen Karin, Anna und Petra beratend zur Verfügung. Dieser Service ist für Dich kostenfrei.
Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) unterstützt Dich dabei, einen Hautarzt in Deiner Nähe zu finden.
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